Lindenberg

Das ehemalige Ritterhaus zu Lindenberg/das Geschlecht der Rauschner

Im Chorraum der Kirche in Kasendorf steht an der Wand links vom Altar ein Grabdenkmal mit einer bewehrten Rittergestalt. An dem oberen Teil dieses Denkmals sind die Degen und ein Paar Sporen angebracht, welche mit einem Schlösschen festgehalten werden.

Die Umschrift über dem schwarz-weiß-roten Wappen lautet: "1560 An dem Ostertag starb der edel und ehrenvest Joch. Rauschner zu Lindenberg, dem Gott genad. Amen." Zu beiden Seiten des Kopfes der Ritterfigur liest man die anscheinend erst später angebrachte Inschrift: "Joachim Rausch, der Eltz und letz", was wohl heißen soll, dass der Verstorbene der Edelste und Letzte seines Geschlechts gewesen sei.

Das Geschlecht der Rauschner, auch "Rus, Rusch, Ruesch, Rausch und Rauschener" genannt, lässt sich geschichtlich bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. Es ist anzunehmen, dass die Grafen von Andechs einzelne dieses Geschlechtes auf deren Burg Arnstein bei Weismain als Burgmannen gesetzt haben. Jedenfalls waren die Rauschner schon im 14. Jahrhundert weit verbreitet. Wir finden sie u. a. auf den Burgen Arnstein, Niesten und einen befestigten Hof in Zultenberg. 1371 wird aktenmäßig ein Heinrich Rauschner "zu dem Zultenberg" genannt.

Älteren Zultenbergern ist noch der "Zechgarten" (=Zehentgarten) bekannt, auf welchem links der zum Görauer Anger führenden Straße die letzten Häuser am Ortsrand stehen. Schräg gegenüber finden sich in der Wiese gegen den Hochflächenrand die stark verflachten Reste der 1935 fast vollständig eingeebneten Anlage. Für das kundige Auge sind heute nur noch Teile der SO-Flanke des ehemals wohl hufeisenförmigen Grabens zu erkennen.

Bischof Ludwig von Bamberg erlaubte 1371 einem Heinrich Rauschner von Zultenberg, auf seiner Wiese in Lyntenberg ein Haus aus Holz zu bauen mit der Bedingung, dass er und seine Erben es als Burghut von der Kirche nehmen.

Ein großartiges und kunstvolles Gebäude war es wohl damals noch nicht. Aber sicherlich ist bald hernach das Ritterhaus in würdigerer und eindrucksvollerer Gestalt entstanden, denn schon 143O wird es in den Akten eine Vestung genannt. Seinen Umfang lässt der heute noch an der Peestener Straße erkennbare Wall und Graben sowie die noch festzustellende Linienführung der Grundmauern erraten. Der an der Seite etwas abgegrabene "Kernhügel" misst etwa noch 20 Meter im Geviert.

Die engen Beziehungen zwischen den Lindenberger Schlossherren und der Kirchengemeinde Kasendorf beweist eine Urkunde vom 20. Januar 1427, in der die drei Brüder Cunradt, Heinrich und Otto Rauschner in allen Einzelheiten darlegen, welche Wälder, Äcker und Wiesen sie der Kasendorfer Pfarrstiftung vermachen.

Aus einer Aktennotiz von 1492 wissen wir, dass beim Beginn des Baus der Kirche in Kasendorf, der mit dem Jahr der Entdeckung Amerikas zusammenfällt, der Besitzer des Lindenberger Ritterhauses Georg Rauschner hieß. Er hat sich sicherlich auch um den Bau dieses Gotteshauses verdient gemacht. Ohne seine Unterstützung wäre die Kirche wohl nicht in der gefälligen gotischen Form entstanden, von der der Chorraum und der Turm noch heute Zeugnis geben. An der Nordostecke des Chores war die sogenannte "Lindenberger Empore" angebaut, an die heute nur noch ein steinerner Wappenschild erinnert. Der Zugang erfolgte über eine außen angebrachte hölzerne Treppe durch das gotische Fenster.

Erst bei einer der Kirchenrenovierungen am Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Empore beseitigt, da man sie nicht mehr benötigte.
Nach dem Tode des Joachim Rauschner 1560 wurden, da dieser männliche Erben nicht hinterließ und auch seine beiden Brüder Heinrich und Otto Rauschner kinderlos gestorben waren, seine beiden Töchter erbberechtigt. Von da ab wechselte das Lindenberger Schlossgut seinen Besitzer lange Zeit hindurch. Der Name Rauschner war erloschen.

Rascher Besitzerwechsel

Eine Tochter des Joachim Rauschner war mit einem Hans von Waldenfels von Katschenreuth verheiratet. Ihrem Sohn Martin von Waldenfels fiel durch einen Erbvertrag 1585 das Rauschnersche Rittergut zu. Dessen Sohn Christoph Soldan heiratete eine Künßberg. Eine ihrer Nachkommen verehelichte sich mit Georg Dietrich von Guttenberg. Auf diese Weise gelangte das Rittergut Lindenberg im Jahre 1645 oder 1646 in den Besitz der Herren von Guttenberg. Fast 100 Jahre lang blieb das Schloss nun im von Guttenbergischen Besitz und hat wohl in dieser Periode seine höchste Blütezeit erlebt. Als die Herren von Guttenberg es zu bewirtschaften begannen, tobte noch der 30-jährige Krieg.

Wie es dabei dem Ritterhaus in Lindenberg ergangen ist, lässt sich nicht mehr sagen, jedenfalls scheint es aber nicht wesentlich in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Allerdings muss es sich sowieso in einem sehr schlechten Zustand befunden haben. In einer Beschreibung vom Jahre 1637 wird gesagt, dass das Schlösschen und adelige Wohnhaus ganz alt, schadhaft und baufällig sei, ein Giebel drohe einzustürzen, die Gemächer seien übel zugerichtet, Türen, Fenster, Stiegen und Öfen zerbrochen. Weder am Vorhof sei ein Tor, noch befänden sich Türen an den dachlosen Ställen. Im Schloss sei kein Tropfen Wasser zu haben, der Rohrbrunnen sei ganz abgegangen. Die Weide sei verödet, das Gehölz abgehauen. Nur ein einziger Untertan sei noch vorhanden.

Interessantes berichten die Alten von Maria Amalie von Zettwitz, einer geborenen von Künßberg. Wegen ihrer Erbansprüche wohnte sie einige Zeit auf dem Schloss. Die Witwe war eine unternehmenslustige Dame und eröffnete 1678 in Lindenberg ein Wirtshaus mit Schankrecht. Der Vogt Melber von Kasendorf bestritt ihr dieses Recht energisch und auch Graf Karl von Giech in Thurnau beschwerte sich dagegen beim Lehensoberherren, dem Bischof Peter Philipp von Bamberg.

Als alles nichts half, erließ der Vogt in Kasendorf am 13. März 1680 ein striktes Verbot, nach welchem es der Lindenberger Herrschaft bei 10 Thaler Strafe untersagt war Bier sowohlen Maaß- als Fäßleinsweise auszuzapfen". Es war aber auch dies vergeblich. Die Wirtschaft blieb bestehen.

Daß man in der von Guttenbergischen Familie nicht nur Gastfreundschaft zu üben verstand, sondern auch von einem warmen sozialen Empfinden dem kleinen Mann gegenüber geleitet war, beweist ein Taufeintrag aus dem Jahre 1700:

Dem Johann Weber, Beständer des Wirtshauses zu Lindenberg und seinem Eheweibe Anna, einer geborenen Lindner von Küps, war ein Töchterlein Eva Margareta Barbara geboren. Die Taufpaten waren "Frau Eva Katharina Barbara von Guttenberg, geb. von Wallenfels, Herrn Philipps Christoph von Guttenberg zu und auf Lindenberg 2., Frau Eva Margareta Barbara Tit. H. Wolf Christophen von Stein auf Laußnitz an der Ohrl, Frau Eheliebste geb. von Wallenfels, dann 3.H. Johann Christoph Adam von Wallenfels auf Forstlahm, Capitain-Leutnant, und wurde dasselbe auf dem hochadel. Schloß getauft." Die Schlossherrschaft steht zu Gevatter bei dem Söldner und die Taufe findet im Schlosse selber statt und der Taufschmauss hat dort sicherlich auch nicht gefehlt. Und so wars recht.

Im Jahre 1705 war Philipp Christoph von Guttenberg gestorben. Ihm folgte Franz Johann Erdmann Heinrich von Guttenberg. Er war am 3. Februar 1696 auf dem Ritterhaus geboren. Unter seinen 3 Taufpaten befand sich auch Lotharius Franziskus Kurfürst zu Mainz und Bischof in Bamberg. lm Jahre 1717 am 8. September war er in den Ehestand getreten mit Fräulein Eva Sophia von Schaumberg zu Kleinziegenfeld. Die Trauung fand auf dem Schlosse statt, ebenso wie 6 Jahre vorher im Schlosse auch Wolf Christoph von Stein auf Laußnitz, Obristwachtmeister auf der Plassenburg, mit Maria Magdalena Christianna von Oppenhausen durch den Pfarrer von Kasendorf getraut wurde. Sogar einem Dienstbotenpaar war es im Jahre 1720 gestattet, auf dem Herrensitz seinen Ehebund einsegnen zu lassen. Und so haben die Schlossräume so manchen festlichen Tag gesehen.

Franz Erdmann von Guttenberg hatte das Schloss Lindenberg bis 1726 im Besitz und bis zu dieser Zeit scheint auch der landwirtschaftliche Betrieb dort auf der Höhe gestan den zu sein. Man liest in den Kirchenbüchern von einem "Hausmann" in Lindenberg, von einem "Schlossbauer", von einem "Schafmeister oder Oberschäfer", es waren zeitweilig sogar 2 Schäfer angestellt. Die Schafzucht wurde im Großen betrieben, wozu ja die reiche Hut an den Berghängen und die damals übliche Dreifelderwirtschaft mit den Brachäckern sich eigneten. Es wurden zeitweilig bis zu 500 Schafe gehalten.

1721 trat Franz Joh. Erdmann Heinrich von Guttenberg mit dem Oheramtmann Georg Friedrich von Künßberg zu Ermreuth und Thurnau in Verhandlung wegen des Verkauf's des Ritterschlosses zu Lindenberg. Der Kauf schien schon abgeschlossen zu sein und der bisherige guttenbergische Besitzer hatte bereits das Schloss geräumt. Doch Einsprüche und gerichtliche Klagen guttenbergischer Verwandter und vor allem die Schwierigkeiten wegen eines Wechsels, den der Käufer für die Guttenberg einlösen, aber nicht sogleich voll begleichen konnte, verhinderten die Verwirklichung des Kaufgeschäfts. Herr von Künßberg trat 1724 gegen Rückerstattung der bereits erfolgten Teilabzahlung von 11000 Gulden vom Kauf zurück, und so bezog der frühere Besitzer Franz Job. Erdmann Heinrich von Guttenberg unerwarteterweise sein Schloss wieder.

Allen diesen vorerwähnten Misshelligkeiten wurde ein Ende bereitet, als im Jahre 1724 der Oberamtmann von Hollfeld und Waischenfeld Job. Christoph Ludwig Lochner von Hüttenbach das Ritterschloss Lindenberq käuflich zu erwerben sich entschloss, und zwar in der Weise, dass er sich erbot, sein Gut Riegelstein im Tausch abzutreten und 12000 Gulden fränkisch nebst 100 Louidors Leykauf aufzuzahlen.

Er wurde auch sofort vom Bischof Lothar Franziskus in Bamberg aufgefordert, den Lehenseid zu leisten. Aber es gab auch in diesem Falle wieder längere Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Erbberchtigten.

Im Jahre 1726 jedoch erteilten diese ihre Zustimmung zum Verkauf des Schlosses und erst 4 Jahre später erfolgte die förmliche Belehnung des Käufers mit dem Ritterschloss durch den Bamberger Lehenshof.

Der Niedergang des Schlossgutes

Aus Inventaraufnahmen ist zu ersehen, dass es sich bei dem Ritterschloss in Lindenberg um ein ganz beträchtliches Anwesen handelte. Aber es hat den Anschein, als ob um jene Zeit schon das Gut nicht mehr die mit Recht zu erwartende Rente abwarf. Der neue Besitzer Joh. Christoph Lochner von Hüttenbach sah sich schon nach einigen Jahren genötigt, das Gut mit einer Hypothek von 5000 Gulden fränkisch zu belasten.

In der Folgezeit mussten noch wiederholt Schulden aufgenommen werden, so 1000 Gulden im Jahre 1755 und wieder 3600 Gulden im Jahre 1796. Das waren Summen, die nach dem damaligen Geldwert ganz anders ins Gewicht fielen als nach unserem Gelde heute. Um die letztere Schuldaufnahme rechtfertigen zu können, veranstaltete der von Lochnersche Amtmann Priebel von Hollfeld eine erneute schriftliche Taxierung des Rittergutes, und bei dieser Gelegenheit gab er eine ziemlich genaue Beschreibung des Ritterhauses selbst, die uns heute sehr wertvoll ist und die folgendes berichtet: 

“Die Veste oder das Hauß Lindenberg bestehet in einem drey stockwerk hohen und mit quadrat steinen errichteten Gebäute, so mit einem graben, dann starken breiten Damm, weicher mit Obstbäumen bestellet, umgeben ist und den eingang über eine steinerne Brücke hat mit 4OOO Gulden geschätzt. Das neben den Schloßhof gelegene Viehhaus nebst den daran gebauten Schaafstall unter einem Ziegeldach. Des Pachtschäfers außer der schaafstallung angebaut Hauß. Zwei unter einen Ziegeldach stehende Scheuern und ein schopfen. Das Brauhauß und der Brautaig, welche mit einen breiten mit Obstbäumen bestellten Damm umgehen, wozu auch ein Hopfengarten ad 8 Beth, welche 13 Schritt breit und 117 Schritt lang sind gehörig. ein großer auf den Zultenberg gelegener stadel, dann die darum gebaute schaaf Stallung unter einen Ziegeldach, der frankenstadel genannt.”

Die Zerschlagung des Rittergutes

Einschließlich der Grundstücke und Waldungen, sowie der Erb- und Grundzinsen und der besonderen Lehensgelder, wurde ein Gesamtwert von 78 000 Gulden errechnet allerdings vom Eigentümer selbst. Wegen zunehmender Verschuldung beschlossen die Besitzer, einen Teil des Gutes zu verkaufen und den Rest von Pächtern bewirtschaften zu lassen.

Als letzter Eigentümer des Gutes veräußerte schließlich Adam Friedrich Freiherr von Lochner 1816 den Rest der Äcker, Wiesen und Wälder an die Bauern der Umgegend. Dass die Einwohner von Lindenberg verhältnismäßig wenig von diesen Liegenschaften erwerben konnten, lag in der Natur der Sache. Die Kaufkraft der Söldner war nicht groß.

Das ganze Schlossanwesen zusammen mit Hofraith, Schorgärtlein, Mälz- und Brauhaus, Gras- und Obstgarten, einem Weiher ("Himmelteichlein") und einem Felsenkeller erwarb der Wirt von Lindenberg Johann Friedrich Pensel.
In den 20er Jahren des 19. Jhd. wurde dann das Schloss mit seinen Nebengebäuden abgetragen. Der Stadel des Wirtshauses, sowie die Häuser Nr. 5 und 8 sind aus den Steinen des Ritterhauses gebaut worden, wie die gelochten Steinquadern noch deutlich erkennen lassen. Viel Steinmaterial wurde auch von Bewohnern benachbarter Ortschaften geholt und zum Hausbau verwendet. Der einzige Wertgegenstand, der vom gesamten Mauerwerk übrig geblieben ist, ist ein Wappenstein der Lochner von Hüttenbach mit der Jahreszahl 1736, welcher in die Außenwand des Hauses Nr.5 eingelassen ist.

Durch mehr als vier Jahrhunderte hatte in dem Schlosse zu Lindenberg das menschliche Leben geblüht. Des Daseins Freude und des Daseins Leid ist dort ein- und ausgegangen, wie überall in der Welt. Man hat das Glück genossen an der Kinderwiege und im Myrtenschmuck, hat getrauert an den Krankenbetten und den Särgen der Lieben. Und nun ist es seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten schon so still geworden an diesem Ort.

(Aus dem Heimatbuch des Marktes Kasendorf)